Auch Kinder und Jugendliche können von gesundheitlichen Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung betroffen sein – allerdings scheint die Häufigkeit im Vergleich zu Erwachsenen auf Basis der vorliegenden Evidenz insgesamt geringer zu sein. Bisherige wissenschaftliche Studien zu Long COVID beziehen sich allerdings auch überwiegend auf Erwachsene.
Die Datenlage bei Kindern und Jugendlichen ist nach wie vor noch eingeschränkt, auch die Veröffentlichung eines „Core Outcome Set“ für Kinder und Jugendliche steht noch aus (Munblit et al. 2022). Darüber hinaus ist es wichtig herauszufinden, welche anhaltenden Beschwerden in verschiedenen Entwicklungsphasen im Fokus stehen – und welche langfristigen Folgen damit einhergehen – wie z. B. im Hinblick auf Lebensqualität, Schulfehltage (Franco et al. 2022).
Im Februar 2023 veröffentlichte die WHO eine Falldefinition von Post-COVID-19 für Kinder und Jugendliche (siehe Frage „Was ist Long COVID?“), in der innerhalb von drei Monaten anhaltende, neu auftretende oder wiederkehrende gesundheitliche Beschwerden, die über mindestens zwei Monate bestehen und im Allgemeinen mit funktionellen Einschränkungen einhergehen, berücksichtigt sind.
Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen stellt die Abgrenzung gesundheitlicher Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion von indirekten gesundheitlichen Folgen der Pandemie eine besondere Herausforderung dar. Zudem muss wie bei Erwachsenen auch unterschieden werden zwischen schwereren COVID-19-Erkrankungen mit stationärer Behandlung und leichteren Krankheitsverläufen. In einer großen Nachbeobachtung von Kindern und Jugendlichen, die zwischen April und August 2020 wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt worden waren, hatten etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen auch mehrere Monate nach Entlassung noch mindestens ein gesundheitliches Problem (Pazukhina et al. 2022). Bevölkerungsbezogene oder selbst selektionierte Stichprobenuntersuchungen, welche auch Kinder und Jugendliche mit leichteren oder wenig symptomatischen Verläufen einer COVID-19-Erkrankung einbeziehen, berichten hingegen ein geringeres Vorkommen von Symptomen, die über die akute Krankheitsphase von 4 Wochen nach Infektion bzw. nach Krankheitsbeginn hinaus noch vorliegen. Ein Umbrella Review aus 2021/2022 zu entsprechenden Studien berichtet Häufigkeiten von 2 % bis 3,5 % bei überwiegend nicht hospitalisierten Kindern (Nittas et al. 2022). Kürzlich publizierte Reviews zeigen jedoch, dass die Studienlage bei Kindern und Jugendlichen insgesamt sehr heterogen ist und präzise Schätzungen derzeit nicht möglich sind (Jiang et al. 2023; Pellegrino et al. 2022; Zheng et al. 2023). Tatsächlich wird in einigen bisherigen Studien bei einem Vergleich von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion (kontrollierte Studien) teilweise kein Unterschied in der Häufigkeit einzelner betrachteter Symptome berichtet (Borch et al. 2022; Zimmermann et al. 2022). In einer Meta-Analyse von Studien aus den Jahren 2020 und 2021 mit Kontrollgruppe wurde nach einer SARS-CoV-2-Infektion jedoch ein signifikant erhöhtes Risiko für kognitive Störungen, Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Halsschmerzen und entzündete Augen berichtet. Kein Unterschied im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen ohne eine SARS-CoV-2-Infektion zeigte sich hingegen für Bauchschmerzen, Husten, Abgeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Muskelschmerzen, Diarrhoe, Fieber, Schwindel und Atemnot (Behnood et al. 2022). In einer großen Verlaufsbeobachtung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion, der britischen CLoCk-Studie, wiesen Kinder und Jugendliche nach SARS-CoV-2-Infektion häufiger multiple Symptome auf als diejenigen in der Vergleichsgruppe (Stephenson et al. 2022; Stephenson et al. 2023). Nach 12 Monaten Nachbeobachtungszeit zeigten 50,0 % der nie-positiv getestete-Gruppe einige Symptome im Vergleich zu 61,3 bis 74,1 % der anderen drei Gruppen mit mindestens einem positiven Test (mit oder ohne Reinfektion). Es wiesen insbesondere diejenigen, die mehrfach positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, noch eine Reihe von Symptomen auf. Die häufigsten Symptome waren in allen vier Gruppen Müdigkeit, Schlafstörungen, Kurzatmigkeit und Kopfschmerzen (Pinto-Pereira et al. 2023).
Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen waren auch in einer aktuellen Metaanalyse aus dem Jahr 2023 zufolge die häufigsten noch nach 3–12 Monaten genannten Symptome in Studien bei Kindern und Jugendlichen (Zheng et al. 2023).
Eine dänische Studie zeigt zudem, dass Teilnehmende mit SARS-CoV-2-Infektion mehr langanhaltende Symptome und Krankschreibungen hatten im Vergleich zu Teilnehmenden der Kontrollgruppe (Kikkenborg Berg et al. 2022). Auch eine Analyse von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zeigt, dass bei Kindern und Jugendlichen nach einer vorangegangenen COVID-19-Erkrankung die Inzidenz für verschiedene körperliche und psychische Diagnose und Symptomkomplexe erhöht ist (Roessler et al. 2022). Im Vergleich zu Erwachsenen sind diese allerdings weniger häufig und es lassen sich teilweise unterschiedliche Beschwerdebilder beobachten. Eine norwegische Studie zeigt zudem anhand von Routinedaten (Magnusson et al. 2022), dass eine erhöhte Inanspruchnahme in der Primärversorgung nach einer COVID-19-Infektion bei Kindern im Vorschulalter länger zu beobachten ist (3–6 Monate) als bei Schülern der Primär- oder Sekundärstufe (1–3 Monate).
Abgesehen von der Diskussion um Long COVID bei Kindern wird international auch über seltene, besonders schwere Fälle berichtet, die ca. 2 Wochen nach einer akuten COVID-19-Erkrankung oder SARS-CoV-2-Infektion eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Es handelt sich um eine starke entzündliche Immunreaktion, das sogenannte Multisystem inflammatory syndrome in children (MIS‐C) oder auch Pediatric inflammatory multisystemic syndrome (PIMS), wobei diese Krankheitsbilder jedoch gemäß aktuellen Definitionen nicht zu Long COVID und Post-COVID gehören. Betroffene Kinder leiden u. a. an hohem Fieber, Schmerzen, Erbrechen, Ausschlag und Müdigkeit. MIS-C oder auch PIMS stellen ein hochakutes Krankheitsbild überwiegend innerhalb von vier Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion dar (weitere Informationen: PIMS-Erfassung in Deutschland, WHO, CDC).
Ein Konsensuspapier des Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)-Konvents und kooperierenden Fachgesellschaften bietet Expertenempfehlungen für die Praxis auf Grundlage der bisher noch geringen studienbasierten Evidenz zu Long COVID im Kindes- und Jugendalter (Töpfner et al. 2022). Das Konsensuspapier enthält Screeningfragen sowie einen Vorschlag zur strukturierten, standardisierten pädiatrischen Anamnese und diagnostischen Evaluation bei Long COVID. Anhand der jeweiligen anamnestisch und klinisch ermittelten Hauptsymptome werden ein gestuftes, diagnostisches Vorgehen und eine multidisziplinäre Betreuung empfohlen. Über Anwendungserfahrungen von umfangreichen Untersuchungen zur differentialdiagnostischen Abklärung berichtet eine Studie aus 2023 (Goretzki et al. 2023). Eine Übersichtsarbeit aus 2023 ergänzt die dem Konsensuspapier zugrunde liegende Evidenz (Töpfner & Brinkmann 2023). Darüber hinaus werden über die Internetseiten der DGKJ und Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) weitere Fragebögen zur Abklärung von spezifischen neurokognitiven und/oder psychischen Störungen sowie postexertioneller Malaise (PEM) und myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) zur Verfügung gestellt.
Stand: 22.08.2023