Bevor ein Influenza-Impfstoff überhaupt zum Einsatz kommt, müssen die Hersteller – wie bei anderen Impfstoffen auch – dessen Wirksamkeit und Sicherheit in großangelegten Zulassungsstudien nachweisen. Die Zulassung wird dann von der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) empfohlen und von der EU Kommission entschieden bzw. von der nationalen Zulassungsbehörde (in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut) erteilt. Das Besondere bei Influenza-Impfstoffen ist, dass die Komponenten in der Regel jedes Jahr an die voraussichtlich dominierenden Virusvarianten angepasst werden müssen (siehe auch: "Wie wird die Zusammensetzung des Grippeimpfstoffs bestimmt?"). Die Europäische Kommission (bei zentral zugelassenen Impfstoffprodukten) bzw. das Paul-Ehrlich-Institut (bei national zugelassenen Impfstoffprodukten) erteilt die Genehmigung für die jährliche saisonale Stammanpassung.
Denn Influenzaviren verändern sich ständig. Es kann daher passieren, dass die Komponenten des Impfstoffs nicht optimal mit den tatsächlich zirkulierenden saisonalen Viren übereinstimmen (siehe auch "Wie hoch ist die Wirksamkeit der Influenza-Impfung?").
Ob der Influenza-Impfstoff (bzw. die darin enthaltenen Virusstämme) zu den zirkulierenden Virusstämmen passt, wird im Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren am RKI über einen Hämagglutinations-Hemm-Test (HHT) oder einen Neutralisations-Test (NT) bestimmt. Dabei wird geprüft, ob Antikörper, die durch die Impfung gebildet wurden, in der Lage sind, die jeweiligen Influenzaviren unschädlich zu machen. In diesem Fall spricht man von einer guten Übereinstimmung zwischen den Impfstoff-Komponenten und den zirkulierenden Influenzaviren. Von dieser Prüfung kann jedoch nicht abgeleitet werden, in welchem Grad der Impfstoff schlussendlich vor einer klinischen Manifestation der Erkrankung schützt.
Die klinische Wirksamkeit von Influenza-Impfstoffen kann hinsichtlich verschiedener Endpunkte untersucht werden – einerseits, ob und in welchem Grad die Impfung vor einer laborbestätigten Infektion schützt, aber auch, ob sie zum Beispiel Influenza-assoziierte Hospitalisierungen oder schwere Verläufe verhindern kann. Die Werte können dementsprechend unterschiedlich ausfallen. Wie gut der Influenza-Impfstoff vor der Grippe schützt, hängt zudem von vielen individuellen Faktoren ab - etwa vom Alter, wie oft jemand schon geimpft worden ist, wie oft man mit ähnlichen Influenzaviren infiziert war und wie gut das Immunsystem funktioniert.
Weil die Impfstoffe jedes Jahr angepasst werden, muss auch die Effektivität der Impfung für jede Influenzasaison neu bestimmt werden. Eine erste, vorläufige Schätzung kann vom RKI mit einer "Test-negativen Fall-Kontroll-Studie" durchgeführt werden. Häufig erfolgen diese frühzeitigen Untersuchungen in Kooperation mit weiteren Ländern in Europa im Rahmen einer gemeinsamen Analyse: Dabei werden Daten von Patient:innen ausgewertet, die in einem bestimmten Zeitraum eine Sentinelpraxis des RKI mit Grippesymptomen aufgesucht haben. Abstriche der Patient:innen werden im Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren im RKI untersucht: Bei einigen werden Influenzaviren nachgewiesen (Fälle), bei anderen nicht (Kontrollen). Anschließend prüfen die Wissenschaftler:innen, wie viele der echten Influenza-Fälle geimpft waren – und wie viele der Kontrollen geimpft waren, die nicht an Influenza erkrankt sind. Aus diesen Zahlen lässt sich grob ableiten, wie wirksam die Impfung ist. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine vorläufige Schätzung, die mit hohen Unsicherheiten einhergeht. Eine endgültige Aussage über die Impfeffektivität kann erst nach der Influenzasaison auf der Basis weiterer Daten getroffen werden.
Bei der Interpretation dieser Daten muss berücksichtigt werden, dass es sich bei der Test-negativen Fall-Kontroll-Studie um eine Beobachtungsstudie handelt, die ein höheres Verzerrungspotenzial hat als randomisierte kontrollierte klinische Studien und wichtige Einflussfaktoren wie z.B. frühere Influenza-Infektionen nicht erfasst. Um die statistische Aussagekraft der einzelnen Studien zu erhöhen, werden daher auf europäischer Ebene Daten aus Studien mit dem gleichen Studiendesign zusammengeführt und analysiert. Die STIKO wertet dann alle verfügbaren Studien der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte im Rahmen von systematischen Reviews und Meta-Analysen aus und entscheidet, für welche Ziel- und Altersgruppen die Impfung bzw. welcher Impfstofftyp empfohlen werden soll.
Stand: 01.08.2024