April 2017: Psychoonkologie – Unterstützung im Umgang mit psychosozialer Belastung
Leben mit Krebs
In Deutschland lebten Ende 2013 2,6 Millionen Menschen, bei denen eine Krebserkrankung innerhalb der letzten 10 Jahre diagnostiziert wurde. Das sind rund 120.000 an Krebs Erkrankte mehr als noch im Jahr 2009. Diese Entwicklung ist im Wesentlichen auf die alternde Bevölkerung mit entsprechend steigenden Neuerkrankungszahlen, die Einführung von Früherkennungsmaßnahmen und auf Fortschritte in der Versorgung zurückzuführen.
Wird eine Krebserkrankung festgestellt, kann diese Entdeckung das gewohnte Leben erstmal vollkommen auf den Kopf stellen. Am Anfang stehen die weiterführende Diagnostik und die Entscheidung für eine in der individuellen Situation angemessene Therapie im Vordergrund. Nach Abschluss der Primärbehandlung schließt sich eventuell eine Rehabilitation an, gefolgt von der Nachsorge und gegebenenfalls weiteren Behandlungen. Je nach genauer Krebsdiagnose, persönlicher Situation und Therapiewahl können im zeitlichen Verlauf der Erkrankung verschiedene Folgeerscheinungen auftreten.
Wie diese Folgen empfunden werden, ist eine ganz persönliche Sache. Etwa jede dritte bis jede zweite an Krebs erkrankte Person äußert jedoch das Bedürfnis nach psychischer und sozialer Unterstützung. Zu den häufigsten, in diesem Zusammenhang geäußerten Problemen gehören insbesondere Überforderung, Ängste vor dem Fortschreiten der Erkrankung und depressive Symptome. Eine umfassende Betreuung von Krebspatientinnen und -patienten bedeutet demzufolge nicht nur das Angebot einer wirksamen medizinischen Therapie und die Vermittlung von Informationen zur Erkrankung, sondern auch die bedarfsgerechte psychosoziale Unterstützung.
Was ist die Psychoonkologie?
Unterstützungs- und Beratungsangebote der Psychoonkologie zielen auf die Krankheitsverarbeitung, die Verbesserung der Lebensqualität und die Bewältigung psychischer, sozialer sowie funktionaler Folgeprobleme für Krebskranke und deren Angehörige ab. Themenfelder beinhalten dementsprechend auch den Umgang mit familiären, partnerschaftlichen und beruflichen Belastungen sowie finanziellen Sorgen.
Eine bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgung ist während des gesamten Krankheitsverlaufs, sowohl stationär und ambulant, wichtig. Zertifizierte Organkrebszentren, onkologische Zentren und onkologische Spitzenzentren müssen die psychoonkologische Versorgung für ihre Patientinnen und Patienten sicherstellen. Die in Rehabilitationskliniken und ambulant psychotherapeutisch tätigen Psychoonkologen nehmen als Partner der zertifizierten Zentren eine zentrale Rolle in der psychoonkologischen Versorgung nach der Akutphase der Behandlung ein.
Einen weiteren wesentlichen Baustein in der Unterstützung von Krebspatientinnen und -patienten stellen die ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen dar. Hier finden Betroffene sowie deren Angehörige meist kostenfrei vor Ort Unterstützungs- und Beratungsangebote. Ein aktuelles Verzeichnis der Beratungsstellen kann nach Wohnort auf den Internetseiten des Krebsinformationsdienstes durchsucht werden.
Krebsberatungsstellen helfen auch dabei, den Zugang zu Krebs-Selbsthilfegruppen und Patientenverbänden zu finden. Dort können Menschen mit einer Krebsdiagnose von den Erfahrungen anderer Betroffener profitieren und sich an gemeinsamen Aktivitäten beteiligen. Die Suche nach Selbsthilfegruppen unterstützt auch die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS). Ihre Datenbank umfasst Dachorganisationen sowie örtliche Gruppen der Selbsthilfe – nicht nur für Menschen mit Krebs.
Inanspruchnahme der psychoonkologischen Versorgung
Aktuell kann ein Einblick in bestimmte Bereiche der psychoonkologischen Versorgung aus verschiedenen Datenquellen gewonnen werden: Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) berichtet über den Anteil psychoonkologisch betreuter Patientinnen und Patienten in zertifizierten Krebszentren. Die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2014 werden in Abbildung 1 nach Art des Zentrums aufgeführt. Die Angaben beziehen sich auf den mittleren Anteil der Patientinnen und Patienten im Jahr 2014, die mindestens ein Gespräch mit psychosozialem Schwerpunkt wahrgenommen haben (Medianwert über die entsprechenden Zentren). Dieser Anteil unterscheidet sich stark je nach Krebsdiagnose.
Quelle: Jahresberichte der Deutschen Krebsgesellschaft
Daten über ambulante psychotherapeutische Leistungen und Diagnosen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung werden zu Abrechnungszwecken für die gesetzliche Krankenversicherung erhoben. Auswertungen auf Basis dieser ambulanten Abrechnungsdaten zeigen, dass im Jahr 2013 etwa 1,3 Millionen gesetzlich Krankenversicherte mit einer gesicherten Krebsdiagnose psychotherapeutisch versorgt wurden. Anteilig nahmen mehr Frauen mit einer Krebsdiagnose eine psychotherapeutische Leistung in Anspruch als Männer. Weitere Daten über die ambulante psychotherapeutische Versorgung zeigt die Tabelle 1.
Tabelle 1. Gesetzlich krankenversicherte Personen mit einer Krebsdiagnose, die 2013 vertragsärztlich versorgt wurden, mit Anteil psychotherapeutischer Betreuung. Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung | ||||
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Krebsart | Vertragsärztlich versorgte Versicherte mit Krebsdiagnose | Anteil Erkrankter mit Psychotherapie* | Anteil Erkrankter mit psychotherapeutischem Gespräch# | Anteil Erkrankter mit Gespräch bzw. Psychotherapie |
* Eingeschlossene Abrechnungsziffer nach EBM: 35200, 35201, 35210, 35220, 35221, 35202, 35203, 35211, 35212, 35222, 35223, 35224, 35225 # Eingeschlossene Abrechnungsziffer nach EBM: 22220, 23220, 35150, 35110, 21220, 14220, 35100 | ||||
Männer | ||||
Krebs insgesamt | 1.648.642 | 0,8 % | 28,8 % | 28,9 % |
Darmkrebs | 206.296 | 0,6 % | 24,7 % | 24,8 % |
Lungenkrebs | 96.913 | 0,5 % | 28,6 % | 28,6 % |
Brustkrebs | 4.616 | 0,9 % | 31,5 % | 31,6 % |
Prostatakrebs | 614.323 | 0,4 % | 33,4 % | 33,5 % |
Frauen | ||||
Krebs insgesamt | 1.915.299 | 2,7% | 44,9% | 45,2 % |
Darmkrebs | 192.719 | 1,5 % | 35,5 % | 35,7 % |
Lungenkrebs | 60.468 | 2,0 % | 41,3 % | 41,6 % |
Brustkrebs | 811.725 | 3,0 % | 53,4 % | 53,7 % |
Perspektiven für die psychoonkologische Versorgung
Trotz bereits bestehender vielfältiger Angebote ist die Psychoonkologie derzeit noch nicht fest in der Regelversorgung Krebskranker verankert, auch aufgrund noch nicht verstetigter Finanzierungsregelungen. Im Nationalen Krebsplan ist daher als Ziel formuliert: „Alle Krebspatienten erhalten bei Bedarf eine angemessene psychoonkologische Versorgung“. Wesentliche Grundlagen, um diese sicherzustellen, sind Kenntnisse des momentanen Versorgungsangebots und des -bedarfs. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert daher eine wissenschaftliche Untersuchung, welche eine Bestandsaufnahme und Analyse der aktuellen Versorgungssituation liefern soll. Erste Ergebnisse werden im Jahr 2018 erwartet. Parallel dazu erarbeitet eine Arbeitsgruppe im Nationalen Krebsplan Empfehlungen zur Qualitätssicherung und Finanzierung von ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen. Gemeinsam mit den Ergebnissen der Bestandsaufnahme sollen diese Empfehlungen eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die weitere Ausgestaltung der ambulanten psychosozialen Krebsberatung in Deutschland darstellen.
Weitere Informationen
S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten
Informationen von der Deutschen Krebshilfe zum Thema „Mit Krebs leben“
Stand: 03.04.2017