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Oktober 2017: Was sagen Krebsregisterdaten über das Mammographie-Screening in Deutschland?

Das Mammographie-Screening in Deutschland

Zwischen 2005 und 2009 wurde in Deutschland das qualitätsgesicherte Mammographie-­Screening-Programm (MSP) zur Früherkennung von Brustkrebs eingeführt. Im Rahmen dieses Programms werden alle Frauen kurz nach ihrem 50. Geburtstag und dann alle 2 Jahre bis ins 70. Lebensjahr zu einer speziellen Röntgen-Untersuchung der Brust (Mammographie) eingeladen. Ziel dieser Maßnahme ist die Verringerung der Sterblichkeit an Brustkrebs. Daneben bietet die Untersuchung die Chance, durch Erkennung des Tumors in einem frühen, besser behandelbaren Stadium einen größeren Eingriff oder auch belastende zusätzliche Therapien zu ersparen.


Die Mammographie-Untersuchung birgt aber auch Risiken und Belastungen. Frauen werden einer geringen Strahlenbelastung ausgesetzt, und Verdachts­befunde, die sich nach weiteren Untersuchungen als falsche Alarme heraus­stellen, können eine erhebliche seelische und körperliche Belastung für die Betroffene bedeuten.

Ein weiteres Risiko der Reihenuntersuchung besteht in der „Überdiagnose“ von Tumoren. Damit ist die Entdeckung von Tumoren und Krebsvorstufen gemeint, die z.B. aufgrund geringer Neigung zur Ausbreitung zeitlebens keine Beschwerden versursacht hätten. Betroffene Frauen werden unnötig mit einer Krebsdiagnose und einer entsprechenden Behandlung belastet. Leider lässt sich im Vorhinein nicht feststellen, welche Tumoren harmlos bleiben und welche lebensbedrohlich werden. Es wird geschätzt, dass von 1000 Frauen, die 10 Jahre am MSP teilnehmen, etwa 5 bis 7 eine Überdiagnose erhalten.

Senkung der Brustkrebssterblichkeit

Seit Ende der 1990er Jahre geht die Brustkrebssterblichkeit in Deutschland zurück, vor allem für Frauen im jüngeren und mittleren Alter. Ob das MSP zu einem weiteren Rückgang der Brustkrebssterblichkeit führt, wird nicht einfach zu bestimmen sein. Die Daten der Todesursachenstatistik helfen hier nur bedingt, da diese weder Informationen über die Screening-Teilnahme, den Zeitpunkt der Erkrankung oder Angaben zu weiteren Brustkrebs-Risikofaktoren der Verstorbenen beinhalten. Auch wird die Wirkung des MSP erst in einigen Jahren (mit den Daten der Todesursachenstatistik bis etwa 2018) einigermaßen verlässlich abschätzbar sein.


Vor diesem Hintergrund gab das Bundesamt für Strahlenschutz eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die die Möglichkeiten einer vertieften Bewertung der Auswirkung des MSP auf die Brustkrebssterblichkeit untersuchte. Die beauftragten Wissenschaftler haben inzwischen Pläne zur Zusammenführung und Auswertung von Daten aus Krebsregistern, Krankenkassen sowie dem MSP für diese Fragestellung entwickelt. In Kürze wird über die Durchführung der Hauptstudie entschieden.

Senkung der Häufigkeit fortgeschrittener Tumoren

Langfristig soll ein erfolgreiches Mammographie-Screening-Programm neben der Brustkrebssterblichkeit auch die Neuerkrankungsrate von größeren Tumoren (mehr als 2 cm Durchmesser) senken. Größere Tumoren erfordern meist eine umfangreichere Behandlung, und es steigt die Gefahr der Streuung von Krebszellen im Körper. Daher erscheint es auf dem ersten Blick überraschend, dass in den ersten Jahren nach Einführung des Screenings die Erkrankungsrate steigt. Aber in Wirklichkeit steigt hier die Entdeckungsrate: Zu Anfang des Programms werden viele Frauen zum ersten Mal untersucht, und bisher unbemerkte Tumoren werden gefunden. Dieser vorübergehende Anstieg von kleineren sowie größeren Tumoren hat man auch in anderen Ländern wie z.B. in den Niederlanden nach Einführung des Screenings beobachtet.


Abbildung 1 zeigt den zeitlichen Verlauf der Brustkrebs-Neuerkrankungsraten für 50- bis 69-jährige Frauen – die Ziel-Altersgruppe des Screenings – getrennt nach Größe der Tumoren. Nach dem erwarteten Anstieg mit Einführung des Screenings liegt die Rate der größeren Tumoren seit 2010 unter dem Ausgangsniveau und geht tendenziell weiter zurück. Die Rate kleinerer Tumoren (bis zu 2cm Durchmesser) liegt nach wie vor deutlich über dem Niveau vor Einführung des Screenings. Entsprechend ist auch die Neuerkrankungsrate von Brustkrebs insgesamt in der Ziel-Altersgruppe des MSP zwar zuletzt rückläufig, liegt aber immer noch höher als vor Einführung des Screenings. Ähnliches gilt für die auf die Milchgänge oder Drüsenläppchen beschränkte Neubildungen (in-situ Karzinome), die Vorstufen von Brustkrebs sein können und in der Regel ebenfalls operativ entfernt werden.

Abbildung 1. Entwicklung der Neuerkrankungsraten an Brustkrebs bei Frauen von 50 bis 69 Jahren nach Tumorgröße (T1 ≤2cm, T2-4: >2cm, Tis: in-situ Tumoren, TX: keine Angabe zur Tumorgröße), Deutschland (11 Bundesländer und ein Regierungsbezirk) 2003-2014 Abbildung 1. Entwicklung der Neuerkrankungsraten an Brustkrebs bei Frauen von 50 bis 69 Jahren nach Tumorgröße (T1 ≤2cm, T2-4: >2cm, Tis: in-situ Tumoren, TX: keine Angabe zur Tumorgröße), Deutschland (11 Bundesländer und ein Regierungsbezirk) 2003-2014 Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten


Die Neuerkrankungsrate in der Screening-Altersgruppe verläuft deutlich anders als bei Frauen in den Altersgruppen, in denen nicht zum Screening eingeladen wird (Abbildung 2): Bei Frauen unter 50 Jahren ist ein geringfügiger Anstieg zu verzeichnen, während die Inzidenz bei Frauen ab dem 75. Lebensjahr leicht zurückgeht. Bei Frauen zwischen 70 und 74 Jahren geht die Inzidenzrate nach vorherigem Anstieg zuletzt zurück. Hier kam es durch das MSP wahrscheinlich zu einer Vorverlagerung einiger Diagnosen vor Vollendung des 70. Lebensjahres.

Abbildung 2. Entwicklung der geschätzten Neuerkrankungsraten an Brustkrebs bei Frauen nach Altersgruppe, Deutschland, 2003-2014 Abbildung 2. Entwicklung der geschätzten Neuerkrankungsraten an Brustkrebs bei Frauen nach Altersgruppe, Deutschland, 2003-2014 Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten

Fazit

Das Mammographie-Screening-Programm in Deutschland wirkt sich wie erwartet auf die Zahl der Neuerkrankungen von Brustkrebs aus. Die Daten der epidemiologischen Krebsregister zeigen den für die Anfangsphase des Screening-Programms typischen Anstieg und anschließenden Rückgang der Erkrankungungsrate an Brustkrebs. Darüber hinaus zeigt sich aber auch die erwünschte Wirkung eines Rückgangs der Erkrankungsrate an größeren Tumoren in der Ziel-Altersgruppe des MSP. Ob diese Ergebnisse aber tatsächlich mit einer Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit einhergehen, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Sie lassen aber darauf schließen, dass das Screening grundsätzlich in der erhofften Richtung wirkt und wohl auch dazu beiträgt, dass einigen der betroffenen Frauen durch eine frühzeitigere Diagnose größere Operationen wie die komplette Entfernung der Brust oder anschließende Chemotherapien erspart bleiben. Weitere Analysen, die z.B. die Streuung des Brustkrebses in Lymphknoten und andere Organe näher untersuchen, stehen noch aus.

Weitere Informationen

Informationen der Kooperationsgemeinschaft Mammografie über das Mammographie-Screening-Programm in Deutschland

Informationen auf Gesundheitsinformation.de über das deutsche Mammographie-Screening-Programm

Brustkrebs, Seite des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums

Evaluation des Mammographie-Screening-Programms hinsichtlich der Brustkrebssterblichkeit – Abschlussbericht der Machbarkeitsstudie

Der RKI-Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016

Stand: 04.10.2017

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