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Vollzähligkeitsschätzung

Der Nutzen bevölkerungsbezogener Daten zum Krebsgeschehen hängt wesent­lich von der Vollzähligkeit der Erfassung aller neu auftretenden Krebs­er­kran­kun­gen ab. Die Situation in den einzelnen Bundesländern ist allerdings sehr heterogen: Eine kontinuierliche flächendeckende Datenerfassung wurde zwischen 1967 (Saarland) und 2009 (Baden-Württemberg) begonnen. Das Zentrum für Krebsregisterdaten ermittelt daher regelmäßig den Erfassungsgrad der epidemiologischen Krebsregister.

Wie schätzt das ZfKD die Vollzähligkeit?

Die Schätzung erfolgt mit Hilfe eines international gebräuch­lichen Vollzählig­keits­indikators, dem Verhältnis von Mortalität (Sterblichkeit) zu Inzidenz (Erkran­kungs­häufigkeit). Dieses Verhältnis (M/I-Index) kann unter der Voraus­setzung, dass sich Diag­nostik und Therapie und damit auch die Überlebens­aussichten von Krebs­patientinnen und -patienten innerhalb Deutschlands nicht wesentlich unter­scheiden, für die jeweilige Krebs­diagnose als regional weitgehend konstant angenommen werden.

Mit Hilfe des M/I-Index in einer als vollzählig angenommenen Referenzregion und unter Verwendung der regionalen Mortalität wird die Inzidenz in der jeweiligen Untersuchungsregion geschätzt und mit den dort tatsächlich erhobenen Daten verglichen. Nur über Todesbescheinigungen identifizierte („DCO“-)Fälle werden hierbei nicht berücksichtigt. Auch die Vollzähligkeit der Register der Referenz­region wird anhand des Vergleichs mit den Erwartungswerten geschätzt.

Für die Referenzregion wurden vor einigen Jahren folgende Einschlusskriterien definiert:

  • Flächendeckende Krebsregistrierung seit mindestens zehn Jahren
  • Vollzähligkeit für „Krebs gesamt“ in den letzten zehn Jahren im Mittel über 90 Prozent (nach der früheren Schätzmethode des RKI) und über 80 Prozent für alle Einzeljahre
  • Anteil von DCO-Fällen (nur über Todesbescheinigung registrierte Er­kran­kungs­fälle) für „Krebs gesamt“ in den letzten zehn Jahren oder ab dem sechsten Jahr nach Beginn der Erfassung im Mittel unter 15 Prozent

Diese Kriterien werden aktuell von den Registern aus dem Saarland, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, vier von sieben Regierungsbezirken aus Bayern, und dem östlichen Landesteil (Westfalen-Lippe) aus Nordrhein-Westfalen erfüllt.

Nach dem oben beschriebenen Prinzip werden Erwartungs­werte für je sechs Altersgruppen (jeweils für Frauen und Männer) und 16 bzw. 17 Diag­nose­gruppen berechnet. Bei zu geringer Mortalität in der Unter­suchungs­region (durch­schnittlich weniger als fünf Sterbefälle pro Jahr) wurde für die entsprechende Altersgruppe anstelle des Quotienten aus Inzidenz und Mortalität die modellierte Inzidenz in der Referenzregion verwendet, um die erwartete Zahl der Neuerkrankungen zu berechnen. Der geschätzte Erfassungsgrad für jede Diagnosegruppe ergibt sich aus dem Quotienten der über alle Altersgruppen aufsummierten beobachteten und erwarteten Fallzahlen. Die Vollzähligkeit für „Krebs gesamt“ wird wiederum über die Summation der beobachteten und erwarteten Werte für alle Diag­nose­grup­pen geschätzt.

Für welche Krebsarten ist die Schätzung schwierig?

Limitationen des beschriebenen Verfahrens bestehen vor allem dann, wenn die Mortalität einer Krebsart insgesamt bzw. im Verhältnis zur Inzidenz gering ist (Hodenkrebs, malignes Melanom, Schilddrüsenkrebs), oder wenn das reale Verhältnis von Mortalität zu Inzidenz sich zwischen Regionen unterscheidet. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn Früherkennungsmaßnahmen in den Bun­des­län­dern unterschiedlich stark wahrgenommen oder, wie beim Mammographie-Screening, zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführt werden. Auch eine regional unterschiedliche Verteilung von Tumorstadien oder verschiedenen Subtypen einer Krebsdiagnose (etwa beim Schilddrüsenkrebs) kann zu Verzerrungen führen.

Wie sehen die Ergebnisse der aktuellen Vollzähligkeitsschätzung aus?

Nach der aktuellen Schätzung für die letzten beiden verfügbaren Jahre erreichen zehn Bundesländer eine geschätzte Vollzähligkeit von mindestens 90 Prozent in Relation zu den oben genannten Referenzregistern, fünf von ihnen lagen über 95 Prozent. Aus dem Gemeinsamen Krebsregister für die neuen Bundesländer und Berlin konnten für 2016 noch keine Daten geliefert werden, daher bezieht sich die geschätzte Vollzähligkeit hier auf den Zeitraum 2014/2015. Für Bremen, wo die Bearbeitung der Meldungen aus dem Jahr 2015 noch weit­gehend aussteht, wurden die Daten aus den Jahren 2014 und 2016 heran­gezogen.

Geschätzte Vollzähligkeit der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland 2015/2016, nach Bundesland (in Klammern: Beginn der Registrierung) Geschätzte Vollzähligkeit der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland 2015/2016, nach Bundesland (in Klammern: Beginn der Registrierung)

Diese, im Vergleich zur vorigen Ausgabe von »Krebs in Deutschland« schwächeren Ergebnisse erklären sich mit dem flächendeckenden Aufbau der klinischen Krebsregistrierung und den damit verbundenen Umstrukturierungen der bestehenden Register, die in einigen Registern zu erheblichen Verzöge­rungen in der Verarbeitung von Diagnosemeldungen geführt haben. Nach Ende dieser Aufbau- bzw. Umstrukturierungsphase sollte auch die epi­de­mio­logische Berichterstattung vom flächendeckenden Ausbau der klinischen Krebs­regis­trierung profitieren. Auch die noch bestehenden Datenlücken für die Jahre 2015 und 2016 werden voraussichtlich weitgehend geschlossen werden können.

Stand: 17.12.2019

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